Frieden von unten nach oben

Ich komme immer weiter in meiner Lösungsforschung die Weltverbesserer-Thematik betreffend.

Die Weltfürsorge geht nur mit Selbstfürsorge.

Ein einzelner ist klein und kann nur in seiner Kraft Dinge anstoßen. Diese Kraft sollte durch Selbstfürsorge regelmäßig wieder aufgebaut werden. Und dann kann man nur Schritt für Schritt vorgehen.
Die Verzweiflung kommt auch aus dem Leidensdruck des Zeugentums, der Leidensdruck, der mit Ungeduld einhergeht, die aufschreit: „Da muss man doch was tun!!!!! Das kann doch nicht wahr sein!!!! Warum sagt denn niemand „nein“ dazu?!“
Die Ablenkung von dem Schmerz, den all das verursacht, kann gerade auch durch das theoretische, denkende Befassen mit dem Problem im Außen stattfinden. Ich glaube, Facebook ist ein ebensolches Mittel gegen das Spüren von Schmerz wie beispielsweise einen zu bauen.
Wir sind alle keine Helden, denn wir haben alle Ängste und Fehler.
Können wir sie uns verzeihen und weitermachen?

Und jetzt kommt mein Aha-Gedanke…

Die Handlung, also das praktische Umsetzen erdachter Lösungsansätze kann Dich aus dem Schneckenhaus herausholen und direkt in Kontakt mit Menschen bringen. Indirekter Kontakt in öffentlichen Netzwerken geschieht in einer selbst kontrollierbaren Schutzzone. Du hast jederzeit die Macht über den Ausschalter am PC. Du kannst also einem Hinweis auf ein schreiendes Problem ganz einfach aus dem Weg gehen, so tun, als wüsstest Du von Nichts: Klick.

Aber auch jemand, der auf ein Problem hinweisen möchte, wird im Netz an Grenzen stoßen, eben wegen dieser Weglauf-Klicks.
Wirklich erfüllt kann man nur sein, wenn geistige und materielle, sinnlich erfahrbare Seinsebenen zusammen arbeiten. Sprich, ich kann nur erfahrbar etwas verändern, wenn ich auch in die Handlung gehe, nicht am Rechner kleben und in Worten verhaftet bleibe. Und deshalb heißt das auch:

beschränke ich mich auf Facebook, um Menschen anzusprechen und Lösungen zu finden, werde ich immer enttäuscht sein. Denn eigentlich geht es um das Gemeinsame, was wir ja erreichen wollen. Facebook kann helfen, sich zu verabreden, aber das wirkliche Leben passiert da draußen.
Und natürlich macht das Unrecht in der Welt wütend, weil man als mitfühlender Mensch das Leid Unschuldiger, vor allem unschuldiger Kinder, nicht ertragen kann. Doch eigentlich steckt hinter der Wut Trauer über dieses Unrecht. Die Wut ist ein Botschafter der Trauer.

Nur unreflekriert geäußerte Wut, so richtig und wichtig sie auch ist, hat das Potenzial, die verletzten Stellen in anderen zu triggern und altes biographisches Leid neu zu entfachen. Herausgebrüllte Wut löst einiges aus, aber wohl nur in den seltensten Fällen tiefes Verständnis. Wir bemerken ja, Teil des Problems ist die allgemein vorherrschende Verdrängung. Man muss behutsam vorgehen, denn das Unbewusste hat ja den Verdrängungsmechanismus aus bestimmten Gründen in Gang gesetzt. Selbstschutz, Funktionsfähigkeit, Angst vor Ausgrenzung, Angst vor der Wahrheits-Welle, die alles mitreißen könnte, würde man ihr die Tür öffnen…
Das heißt nicht, dass man die Wut nur mit sich selbst ausmachen soll. Doch Leute, die erfolgreich verdrängen, wollen diese Wut nicht ansehen, weil die Emotion in ihnen selbst widerhallen würde. Die Crux an der Sache ist aber, dass wir, wollen wir die Gesellschaft verändern, auch die Individuen in der Masse irgendwie ansprechen müssen, ohne dass sie uns beim ersten Satz schon wieder entgleiten.
Ein bewusster und klar verbalisierter Umgang mit der Wut, ein „mir geht es …, weil ich … erkannt habe daß… Was sagst Du dazu? Hast Du eine Idee, was man da unternehmen könnte?“ Ist etwas anderes als Beschuldigungen in den Raum zu tröten. Die Wut ist nur dann konstruktiv und wichtig, wenn man andere mit dieser Wut nicht verletzt. Zynische Verallgemeinerungen sind also nicht sehr ratsam. Sie entspringen auch einem eigenen Selbstschutzreflex. Destruktiver Todschlag-Zynismus, hach ja, ich kann ja drüberstehen, nicht? Ich bin ja sowas von cool.
Abgrenzungsmannöver.
Äußert man seine Wut mit zerstörerischer Implizierung, geht das Spiel mit dem Krieg immer weiter, denn diese Äußerung wird wohl einen Abwehrmechanismus beim Gegenüber hervorrufen. Im Internet wäre das dann nicht immer ein wütender Kommentar sondern meist der Klick zur nächsten Seite – bloß weg von diesen unangenehmen Emotionen. „Der sollte sich mal helfen lassen…“ So ungefähr, nicht wahr?
Die Wut kann uns aber auch neugierig und aufmerksam machen. Den Forschergeist anzutriggern, das wäre ein Ansatz.

Man benennt ein Problem. Doch dann sollte dem eine Lösungssuche folgen. Sonst ist das ganze Unterfangen nichts als Masochismus und Selbstschädigung durch Informationen.

Lösungen könnte man gemeinsam mit anderen durch Brainstorming erarbeiten, und schwups, wäre man nicht mehr allein mit diesem Berg.

Aber dafür müsste man selbstfürsorglich Kontakt mit anderen herstellen – im echten Leben.

Das hab ich nirgends gelesen. Das kam mir heute aus dem Hirn gekrochen.

Es gibt in der Psychologie einen Begriff: „Selbstschädigung durch andere“. Ich habe diese Kausalität auf die Problematik der mangelnden Bereitschaft zur Demonstration bezogen.
Ich fange an, zu improvisieren und öffne mich für die Lösungen. Die kommen mir nämlich meist erst dann, wenn ich nicht mehr verkrampft am Thema klebe sondern das alles für eine gewisse Zeit liegen lassen kann. Ich nehme dafür Abstand vom Drama und von der Schreibpose am Rechner.

Für mich persönlich macht das total Sinn.

Da kommt mir der Multitasking-Zwang, dem ich als alleinstehende Mami unterworfen bin, auch zu Gute, so anstrengend dies auch manchmal zu sein scheint. Mein Kind zwingt mich, Anstand von diesen Dingen zu gewinnen und mich regelmäßig der gelebten Liebe und Fürsorge zu verschreiben. Sehr gut.

Ich werde das definitiv aber noch üben müssen. Es wird eine Zeit dauern, bis ich ein Gleichgewicht zwischen Problemanalyse, Lösungssuche, praktischer Umsetzung und sozialen Pflichten und Wonnen gefunden habe. Zudem bin ich auch noch Single und beabsichtige, dies nicht ewig zu bleiben. Derzeit habe ich noch mehr private Freizeit als jemand, der in glücklicher Zweisamkeit aufgehen kann, wenn das Kind mal schläft. So hat alles zwei Seiten und definitiv auch immer eine Gute.

Auch als Mutter lerne ich zwangsläufig -aus der Verantwortung für mein Kind heraus- immer mehr, Grenzen zu setzen, wo ich sie sonst vielleicht überschritten hätte. Wenn es mir schlecht geht, hilft das niemandem. Wenn ich zuviele Hiobsbotschaften konsumiere (ja, da ist die Konsumier-Programmierung wieder, die ich schon so früh erlernte in dieser Maschine), zieht mich das in einen Negativstrudel hinein. So spiele ich den Verursachern dieser Mißstände nur in die Karten. Denn eigentlich habe ich eine Gabe, die nicht viele haben. Ein Werkzeug wurde mir in die Wiege gelegt. Finde ich einen Weg, es zu nutzen, kann ich Grenzen sprengen in der Wahrnehmung anderer, einfach weil ich in vielen Dingen anders wahrnehme und nach außen leite, was mir wichtig ist.

Das Thema flüchtende Menschen berührt mich persönlich zum Beispiel in einer Intensität, wie sie vielen anderen Bürgern in diesem Land fremd ist.

Ich bin mit meiner Mutter aus der DDR nach Westdeutschland ausgereist. Damals war ich sechs Jahre alt. Meine Mutter musste einige Ängste durchleben, jahrelange Schikanen erdulden (während der Ausreiseantrag lief) und ins Ungewisse gehen. Ihre Stasiakte hielt sie erst nach dem Mauerfall in den Händen. Ich selbst trage die Erinnerung eher im Unbewußten mit mir herum; trotzdem habe ich am eigenen Leib erfahren, was es heißt, fremd zu sein in einem Kollektiv. Die Grundschulzeit war nicht leicht für mich. Und das ist eine extrem abgespeckte Version dessen, was Kinder aus Syrien erfahren, wenn sie zur Flucht gezwungen sind und zum Beispiel in Deutschland versuchen müssen, neu anzufangen. Jedoch glaube ich, dass es mir -auf Grund der eigenen Erfahrung- abgeht, das Leid dieser Kinder zu ignorieren. Ich kann ansatzweise nachempfinden, wie schutzlos und verunsichert sie sein müssen. Und ich selbst habe keinen Krieg erleben müssen, zumindest nicht in diesem Leben.

Soviel zu meinem Blick auf diese menschlichen Tragödien. Wenn ich auch nur ein weinendes Kind ohne Heimat auf dem Bildschirm sehe, lässt es mich nicht mehr los. Aber ein besonnener Umgang damit ist wichtig, wenn ich meine Werkzeuge einsetzen möchte, dieses Leid aus der Verdrängungszone der Masse herauszuholen und den Menschen bewusst zu machen, dass sie Unrecht ignorieren oder sogar verschlimmern durch das Wegsehen.

Ich muss lernen, meine Negativneugierde zu zügeln (in der Psychologie Impulskontrolle genannt) und immer mal wieder in mich hineinzulauschen, um herauszufinden, was für eine Aktion denn jetzt als Nächstes anstehen könnte. Auch die Frage, was mir jetzt Freude machen würde, wäre durchaus angebracht, denn ich könnte auch Dinge tun, die positiv ansteckend wirken und vielleicht gerade deshalb den Frieden und die Liebe in dieser Welt potenzieren können. Ich könnte natürlich auch ein Trauerbotschafter sein, wenn mir das Ganze lebendig, ohne Zeigefinger und ehrlich verpackt, gelänge. Damit mein Popo in Bewegung bleibt und ich tatsächlich erlebe, dass ich etwas unternehme, muss ich raus aus den vier Wänden und dem Leben begegnen.
Und wenn ich die Welt verändern möchte, geht das nur mit einem langen Atem und gesunden Auszeiten vom Drama im Außen, damit ich mein inneres Kuddelmuddel vom Kuddelmuddel im Außen immer wieder trennen und abgleichen kann, um mich fortwährend im Außen zu positionieren und hinter meinem Handeln stehen zu können.
Frieden und Krieg. Entweder oder?
Nein, leider sollte man erkennen: derzeit geht da nur sowohl als auch.

Der Krieg ist momentane Realität. Wenn da draußen Krieg herrscht, wird es erst dann Frieden geben, wenn wir alle uns vom Krieg nicht mehr verunsichern lassen, ganz entschieden den Weg des Friedens gehen. Der Frieden kann nur von unten nach oben entstehen.

Denn von oben nach unten ist der Krieg gewollt. Leider wahr. Selbst der Papst ist dieser Meinung.

Und dass er das auch laut ausspricht, macht mir Hoffnung.

Ich bin nicht katholisch und übe viel Kritik an der Institution Kirche, aber der Papst hat Mut zur Reform, und er hat Mut zur Wahrheit.

Nehmen wir uns ein Beispiel und sprechen wir aus, was wir denken. Nicht jeder möchte es hören, aber es wird trotzdem Zeit, den Mund aufzumachen.
Probleme haben sich noch nie gelöst, indem man sie ignoriert. Aber wir Menschen könnten hinsehen und gemeinsam Wege finden, sie zu lösen, mit dem Fokus auf den Frieden: im Innen wie im Außen. Und wer da Wunder von Heut auf Morgen erwartet, ist beim Leben an der falschen Adresse. Da geht es immer um den Weg, nie um den schnellen Konsum mit sofortigem Ergebnis. Soviel ist sicher: kein Klick wird das Problem lösen. Nur Deine Bereitschaft, den Prozess zu durchleben, egal wie unbequem er auch sein mag, die wird belohnt! Jetzt und immer. Ganz ehrlich? Frag mich nicht, woher ich das weiß. Ich weiß es einfach. Wegklicken löst die Probleme nicht, es potenziert sie. Deine Bereitschaft, den Weg zu gehen, egal wie langsam und bedacht, wird die Probleme lösen. Immer. Zeit ist relativ.

You may say, that I´m a dreamer, but I´m not the only one

-John Lennon-

Frieden mit Russland