Lieblingsbaum

ich vermisse meinen Lieblingsbaum.

Ihm widmete ich einst den Text zu einem Lied (Hörprobe unten), das im Duo entstand und mittels Stipendium auf Cd verewigt wurde.

Sein langer Ast, der sich wahrscheinlich genauso nach dem Meer sehnt wie ich, ragte bei Flut in die Wellen hinein.

Ich setzte mich in seine Gabel und verbrachte dort viele nächtliche Stunden, wenn außer mir niemand dort war.

Die Lichter im Hafen ansehen und manchmal auch Musik auf den Ohren. James Taylor, Shawn Colvin, KT Tunstall.

Und dann hab ich oft mitgesungen, ohne dass mich jemand hörte. So fühlt sich Glück an.

Heute haben sie ihm den Ast amputiert.

Er ist nicht mehr der Baum, den ich einst kannte. Heute fühle ich mich traurig, wenn ich an ihn denke. Sinnbildlich steht das, was aus meinem Lieblingsbaum geworden ist, für die gerodete und ausgelutschte Kraft der Natur, die ohne Gnade ausgebeutet wird von unserem System.

Was Profit bringt, hat keine weitere Existenzberechtigung.

Wahrscheinlich sehne ich mich gerade deshalb so sehr nach einem neuen Lieblingsbaum, uralt und weise, liebevoll und annehmend.

Nicht nur ein Baumhaus wünsche ich mir und phantasiere seit Tagen über dessen architektonische Beschaffenheit. Ein Baumhaus auf oder neben einem neuen Lieblingsbaum auf einer riesigen Mohnblumenwiese, das würde mich glücklich machen.

Ein Baum auf einer Wiese, die niemand betreten darf, der nicht schon längst in meinem Herzen wohnt oder sich ihm zumindest auf gleicher Frequenz funkend vorstellen würde.

Wie gut, dass ich mein Lied noch habe. Das weckt alte Erinnerungen. Und schwups, ist er wieder so, wie er mal war.