Sozialstaat als Baby Sherlock

Eine alleinerziehende Frau aus Blankenese scheint eine nymphomanische Störung zu haben.
Sie erscheint in einem schmal geschnittenen schwarzen Mäntelchen, neonpinken Fingernägeln aus dem Ein-Euro-Laden und Overknees. Sie riecht nach einem dieser Parfums, die man bei Rossmann im Angebot bekommen kann.
Kaugummikauend setzt sie sich auf den Stuhl und ihr Kind auf den daneben. Dann lässt sie sich nicht nehmen, den Sachbearbeiter verführerisch anzublinzeln und sagt keck: „na, Herr Störtefreund? Wie geht es uns denn heute?“
Er trägt die Hose sehr weit nach oben und das Pollöverchen nach innen, damit die Nieren warm bleiben und ist, gelinde gesagt, perplex. Er räuspert sich und macht den Rücken gerade. Tief einatmend nimmt er Anlauf für die Antwort: „nun, Frau Sürkow, sie haben ja die Einladung erhalten, Auskunft über ihre sexuellen Kontakte zu geben, damit die Versorgungsrechte für das Kind erfasst werden können.“
Sie: „ja, das is ja jetzt echt supernett von ihnen, dass sie mich da so unterstützen wollen!“ Die Spucke quetscht sich beim Sprechen durch das Kaugummi und produziert eines jener Geräusche, auf die Herr Störtefreund extrem allergisch reagiert.
Das Kind wirft einen Stift vom Tisch. : „Ach Mensch, Melviiiin, kannst Du nicht aufpassen. Ey, ich setz dich jetzt auf den Boden, und dann malst du da unten weiter. Kein Bock, jetzt hundert Mal aufzustehen. Mann!“
Herr Störtefreund kratzt sich unsicher am Ohrläppchen und sucht Halt in den Tiefen seines Bildschirmes.
Die Frau mit den aufgekämmten Haaren setzt sich wieder hin und schlägt die kunstlederbekleideten Beine übereinander: „Was war nochma der letzte Satz? Achso ja, sie wolln mir helfen mit mein Liebesleben. Aber wissen sie, ich bin da selbst ein bisschen, naja… ich weiß nich mehr, wer der Vater vom Melvin ist. Es könnte der Gunnar sein, der seine Trulla nicht verlassen hat, wegen den Laden und so. Der hatte kein Bock auf Schulden machen. Ja und da war noch der Trainer vom Fitness-Studio. Son Nümmerchen in der Putzkammer kurz vor Feierabend. Da war der Günther noch bei mir gewohnt und hat auf Melvin aufgepasst. Aber DER ist kurz darauf abgehauen. Hat er irgendwie von Wind gekriegt mit dem Fitness-Hänschen. Und der hat mir vorher noch schön die Wohnzimmerwand zerlegt. Ey, Herr Störtefreund, cooler Name eigentlich, kann ich da nich irgendwo ne neue Wohnzimmerwand beantragen? ist echt Sch…e jetzt, und der Flachbild hat jetzt auch voll den Hau, Mann! der geht nich mehr auf Kika. Das ist voll blöd für den Melvin.“
Der Herr Sachbearbeiter atmet durch den Mund und schreckt hoch, als er angesprochen wird: „Ääähh, da ist die Leistungsabteilung zuständig. Da müssten Sie einen Antrag stellen.“
„Oh, ja klar, danke, ne?“ Sie blinzelt ihn wieder verführerisch an und wirft ihr sprühgehärtetes Haar nach hinten. „Naja, nee, also da weiß ich jetzt auch nich, wie ich das mit den Melvin klären soll. Aber ma ehrlich, die werden sich eh nich um den kümmern. Aber echt nett, dass sie fragen. Das find ich ja echt ma cool, dass das Jobcenter sich jetzt so um die Leute kümmert.“
Herr Störtefreund lächelt verlegen und fühlt sich sichtlich unwohl in seiner Haut.
„Gut, Frau Sürkow, ich werde das einmal mit meinem Vorgesetzten besprechen und mich bei ihnen schriftlich melden, wenn wir wissen, wie wir weiter verfahren.“
Da steht Frau Sürkow auf, schnappt sich Melvin, streicht ihm liebevoll durch das Haar und sieht Herrn Störtefreund an. Mit vollkommen veränderter Stimme und ernsthaftem Blick sagt sie in gepflegtem Deutsch: „nicht nötig, Herr Störtefreund, ich werde nächste Woche heiraten und ihnen die Urkunde dann als Kopie zukommen lassen. Sie können ihrem Chef ausrichten, dass ich mir bereits einen Anwalt genommen habe, um die Rechte auf Privatsphäre und die verfassungsgeschützte Menschenwürde einmal in dieser Sache zu besprechen.“
Sie holt ihre Schnürschuhe aus dem Kinderwagennetz, zieht die langen Highheeloverkneestiefel vor den Augen des irritierten Mitarbeiters aus und bindet sich ganz langsam die Schnürsenkel.
„Schönen Tag noch, sie hören von mir.“
„Komm, Max-Otto, ab nach Hause: Pippi Langstrumpf lesen.“

Hintergrund:

das Jobcenter befragt nun schwangere Frauen zu ihren Sexualkontakten: Wer? Wie lange? Wie oft? Alles muss offen gelegt werden.

Das ist das christlich patriotisch gepriesene Zeitalter der Emanzipation.

Sind wir nicht stolz auf unsere westlichen, demokratischen Werte?

Und schauen wir nicht herab auf die frauenverachtenden Länder? Nee, is klar.

Alleinerziehend, karrieregedumpt, Vater zahlt keinen Penny, und dann soll noch die letzte Würde auf den Tisch von einem Sachbearbeiter.