Musik für den Frieden versus Musik gegen das Establishment

Aktuell ist wieder einmal Xavier Naidoo in aller Munde.

Jemand, der sich ein bisschen abseits der Mainstream Medien informiert, versteht den Text von „Marionetten“. Es steckt ein ganzes Paket aus Wut und Verzweiflung darin. Er spricht jene Deutschen an, die sich lenken lassen von dem Instrument westlicher Geheimdienste: den öffentlich rechtlichen Medien.

Die Wut ist verständlich, denn auch ein Naidoo hat Nachkommen.

Ich empfinde sie auch des Öfteren und freue mich auch über Menschen wie Ken Jebsen, der ehrlich dazu steht, wenn er Emotionen hat, die sonst gern hinterm Vorhang versteckt werden.

Aber Xavier Naidoo ist eine streitbare Figur, mit der sich nur ein kleiner Teil der Bürger identifizieren kann. Nicht nur jene, die die Merkel wieder wählen werden, halten ihn für einen Spinner.

So stand das heute auch in der Zeitung. Man nennt ihn den „Ober-Sohn seines Kriegszugs“, einen Homophoben, er fände seine Anhänger unter den Reihen von AFD und Co, weil er die Begriffe „Volksverräter“ in seinen Marionettensong eingebaut hat, im selben Absatz ruft er übrigens auch die Bauern dazu auf, mit der Forke auf die Regierenden loszugehen.

Sehr friedlich, nicht wahr?

Weil Naidoo das (zufällig jüdische) Bankelitenfamilienoberhaupt als „Baron Totschild“ bezeichnet, ist er offiziell ein Antisemit. Für mich vollkommen unverständlich. Was hat bitteschön der Glauben damit zu tun, wenn man kriminell wirkt, dem Volk schadet, um sich selbst zu bereichern?

Dann hat Naidoo in 2014 einmal auf einer Demo gesungen, die angeblich von den Reichsbürgern veranstaltet wurde.

(Anmerkung: Naidoo sagte damals, er habe Überzeugungsarbeit leisten wollen, in Diskurs gehen wollen)

Zudem gäbe es noch einen schwulenfeindlichen Text in einem seiner Lieder. Und hier, finde ich, sollte die Friedensbewegung aber dann doch mal ganz genau hinhören.

Wie dem auch sei, es gäbe genügend andere musikalische Talente in diesem Lande, die dem Gehirn, welches Negierungen nicht wahrnimmt, auch mal schöne Bilder in den Kopf setzen könnten.

Aus „ich will nicht, das Krieg ist“ macht das Gehirn ein „ich will, dass Krieg ist“.

Die Quantenphysik hat bewiesen, dass Gedanken die Realität und auch die Materie beeinflussen. Das weiss übrigens auch ein Herr Rotschild. Davor, dass die Menschen das begreifen könnten, fürchtet sich dieser. Wenn man die Macht der Gedanken noch mit der Komponente der Kollektivbewusstheit verknüpft, sollte jedem klar sein, dass das Fokussieren auf dem Ausgedienten allein uns nicht weiterbringt.

Es wird Zeit, dass die Friedensmusik ohne Kampfvokabular auskommt. Dann sind deren Protagonisten auch weniger angreifbar und bekommen vielleicht auch einen ernst zu nehmenden Zuwachs aus jenen Reihen, deren Antrieb nicht die Wut sondern die friedliche Vision und Gemeinschaft ist.

Die Menschen flüchten in ihre Komfortzonen, wenn sie Wut und Kampfaufrufe hören. Die gibt es schon genug da draußen. Wer auf die „Marionetten“ herabsieht, wird sie kaum mit ins Boot holen können.

Eine Gemeinschaft, die Verantwortung übernimmt und mit Blick nach vorn selbst mal den Hintern hochhieft, anstatt immer nur das Überholte anzuprängern, könnte nun zusammenkommen.

Natürlich sollte man unerschütterlich aufklären und die Manipulationsmaschine anhalten, sonst kann das kollektive Bewusste ja nicht aus dem Mind Control Dornröschenschlaf erwachen.

Aber wenn wir uns verrennen in der Wut über die Untaten der Mächtigen, brennen wir aus.

Eine liebe Freundin von mir, die übrigens gerade ein ganz besonderes Märchen schreibt, sagte etwas sehr Wichtiges.

„Wir werden noch gebraucht. Wenn wir jetzt zynisch werden und im Kampf GEGEN die Elite verbrennen, dient das nur der Elite. Wir müssen auf unser Licht achtgeben. WIR WERDEN NOCH GEBRAUCHT!“

Was also sollen wir tun, um die Besserwisserei und auch die Schockstarre zu überwinden?

Jeder kann im Kleinen die Welt ein wenig friedvoller machen. Gemeinsam können wir das System verändern. Natürlich wäre es dafür einmal an der Zeit, dass Milliarden die Straße rocken, aber eben nicht mit Kampfsalven sondern mit achtsam gewählten Worten. Die Friedensbewegung, die Milliarden mit sich zieht, muss friedlich kommunizieren, sonst hat sie sich selbst diskreditiert.

Wenn die dunklen Mächte weiter so wüten, ohne dass sich ihnen eine liebevolle friedliche Kraft entgegenstellt, die ihre eigene gute Energie halten kann, wird es nicht mehr lange dauern bis zur Katastrophe.

Die Liebe wird aber trotzdem siegen. So oder so.

Die Frage ist nur, wollen wir dahin in Frieden sein oder immer mit dem Finger auf die Versager zeigen? Ich selbst verlaufe mich auch oft in den Wirren der Wahrheiten, die niemand laut ausprechen darf. Aber ich versuche, zugleich eine Alternative abzuleiten aus dem, was ausgedient hat. Ich versuche, Verantwortung zu übernehmen und nicht nur für die Gerechtigkeit sondern auch für das Schöne, das Lebenswerte zu mobilisieren.

Ein schlichter, harmonisch berührender Song, der ohne rosa Brille die Menschen an die Hand nimmt und ihnen den Frieden schmackhaft macht, so dass sie sogar bereit wären, dafür die Komfortzone zu verlassen, wäre wirklich revolutionär.

Was aber macht ein Rapsong mit verzerrten Gitarren mit dem Zuhörer? Wird dieser eher wütend oder friedvoll beeinflusst durch so ein Lied? Es ist gut, die Wut zu zeigen, sie nicht in sich aufzustauen. Doch sollte dies nur eine Momentaufnahme sein. Man sollte bei sich selbst bleiben.

Ich finde zum Beispiel auch Rage Against The Machine mit „Killing in the Name of“ klasse. Ich bin einmal mit einem Kumpel in seinem Smart auf der Autobahn nach Berlin unterwegs gewesen. Wir haben Rage Against the Machine gehört, dabei gepogt und uns kaputt gelacht dabei. Diese Musik ist cool, aber maximal ein Mal im Jahr, wenn es mal nett ist, die Sau rauszulassen. Als Headliner für die Friedensbewegung wäre diese Band, meiner Meinung nach, aber eine vollkommene Fehlbesetzung.

Wirkliche Veränderung wird nur bringen, was eine neue Kraft etabliert, die das Kämpfen überholt.

Unsere Stammhirne sind mehr als zur Genüge beansprucht, dieser Tage. Kampfmodus, Fluchtmodus, Kopf-in-den-Sand-steck-Modus.

Vielleicht sollten wir einmal in den Augenblick zurückkehren in dem Umgang mit diesen Dingen. Ist es nicht die perfekte Gelegenheit, langsam dem Teenie-Anti-Film zu entwachsen und der Wahrhaftigkeit zuliebe aufzuklären, statt um des Rechthabens Willen? Was willst du denn damit bewirken, wenn du ein Ganser Vortragsvideo auf Facebook teilst?

Sollten wir nicht erwachsen werden und Verantwortung übernehmen, indem wir unsere Komfortzone verlassen und unseren Standard herunterfahren, indem wir uns über unser Konsumverhalten klar für eine gesunde und verantwortungsvolle Lebensart entscheiden?

Ist ja schön, dass wir nun verstanden haben, wie abgrundtief böse manch ein Mensch ist, der die Fäden der Macht in der Hand hält. Aber nichts ist unendlich. Nichts ist in Stein gemeißelt. Nichts währt ewiglich.

Was wir nicht mehr wollen, wissen wir nun. Gut gemacht. Dir selbst vertraut, nicht in die Irre leiten lassen, Fleiß bewiesen beim Recherchieren… Alles schön und gut, aber:

Was ist denn die Vision?

Was wäre denn möglich?

Was wollen wir denn eigentlich?

Wenn ich ausspreche, was ich denn eigentlich möchte, muss ich Verantwortung übernehmen.

Sind wir eine Nation von Ausgewachsenen, die keine Verantwortung übernehmen wollen? Und brauchen wir immer irgendeinen Anführer, anstatt ohne Leitfigur aber dafür gemeinsam voranzukommen?

Leitfiguren gab es schon viele.

John Lennon fällt mir ein. Dieser Mann wurde nicht umsonst ermordet, denn er hatte das Potential, die Menschen an die Hand zu nehmen. Sie haben ihn geliebt.

Lennon war nicht der Rapper mit den dicken Eiern, der alles Scheiße findet und coole Beats über alles legt. Er hat sich verletzlich gemacht, ohne viel Tamtam, weil er den Mut hatte, eine Welt zu ersehnen, die das Leid und den Krieg hinter sich gelassen hat.

Ist es uncool unter den Widerständlern, wenn sie ihre Wünsche für diese Erde an die erste Stelle stellen und ihr Testosteron mal hintenan?

Sieht Mann sich mit Akustikgitarre am Lagerfeuer  Nicoles „ein bisschen Frieden“ trällern, wenn er darauf hingewiesen wird, dass es möglich wäre, den Frieden zu beschreiben? Willst du vielleicht nicht naiv rüberkommen? Ist Xavier Naidoo deshalb so cool? Sei mal ganz ehrlich.

Man müsste nicht gleich eine rosa Brille aufsetzen, um dem Frieden ein Gewand zu geben, das viele Menschen magisch anzöge. Gerade die Musik kann an Emotionen erinnern, die uns allen abtrainiert wurden durch all den Hustle, all die Gewalt, die Schreckensmeldungen aus aller Welt.

Wir haben alle unsere eigenen kleinen Panzer um uns herum.

Ein Lied, das den Frieden lebendig werden lässt? „Imagine“ war mal so ein Song.

Zwei Teile von mir mögen das Lied von Naidoo, wenn ich auch nicht mit allen Begrifflichkeiten darin einverstanden bin, und auch Rage Against The Machine mit „Killing in the Name of“ bockt, nicht nur wegen des Grooves.

Zum Einen ist es dieser rechthaberische Teil von mir, der meint, die Welt müsse doch nun wirklich langsamn mal aufwachen, der andere Teil ist die kleine Lina, die manchmal allein vor dem Rechner sitzt, Ungeheuerlichkeiten entdeckt und sich hilflos dabei fühlt. Diese beiden Anteile von mir stehen Hand in Hand da und sagen verschmitzt: „geil“ oder „yeah!“. Endlich sagt mal einer seine Meinung und gibt nichts darauf, was die Leute denken könnten. Wären wir nicht alle gern einmal so kosequenzlos? Aber was bitte haben diese beiden inneren Anteile mit dem möglichen Frieden in der Welt zu tun?

Was können diese beiden denn bewirken, damit es besser wird im Weltensystem?

Naidoo ist viel zu angreifbar. Leute wie er nehmen der Friedensbewegung die Möglichkeit, groß zu werden, weil man ihm rechtsradikale, verschwörungstheoretische Tendenzen nachsagen kann, wenn sie auch nicht unbedingt alle stimmen müssen. Die plakativen Dissereien, die leider noch viele, viele Menschen für wahr halten, sollten von vornherein möglichst wenig Futter bekommen.

Schade, dass die Musikwelt noch den Kampfgeist um den Bauch geschnallt vor sich herträgt. Sanfte, weibliche, nährende Energien wären wirklich eine erfrischende und erfolgsversprechendere Alternative. Das Andere hatten wir schon.

Diese weiblichen Energien schlummern übrigens auch in Männern.

Ran ans Notenpapier. In mir gährt auch schon eine Idee.

Lasst uns auch das Schöne auf die Firnis des Lebens malen und nicht nur unsere ganzen Kräfte damit verschwenden, vor den düstersten Szenarien stehen zu bleiben. Das Schimpfen und Anklagen allein erschafft kein Gleichgewicht aus Licht und Schatten. Nur die Liebe, nur das Licht können die Dunkelheit erhellen und die Veränderung bringen, die wir uns wünschen.

so, das war mein Wort zum Sonntag 😉 . Genießt die Sonnenstrahlen, die auch durch die dunklen Wolken brechen, egal ob es stürmt dabei.

Eure Lina